Städtisches Wohnen in den „Kräuterterrassen“

Quartiersentwicklung im Rahmen des Stadtumbaus.

Mit dem Förderprogramm „Stadtumbau Ost“ sollte in Dresden der Leerstand gesenkt werden. 15 Jahre später entstand daraus für die Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft Dresden eG (EWG) die Chance, ein ambitioniertes Neubauprojekt am Rande eines der größten Plattenbaugebiete Dresdens zu realisieren. Mit dem Neubau der „Kräuterterrassen“ schließt die Genossenschaft an das ausgezeichnete Stadtumbauprojekt „Kräutersiedlung“ an und schafft neuen bezahlbaren Wohnraum in Dresden.

Heute kaum zu glauben: Vor nicht mal 20 Jahren gab es in Dresden Wohnungen im Überfluss. Um den Leerstand in wirtschaftliche Ausmaße zu senken, ließen die Wohnungsunternehmen über das Förderprogramm „Stadtumbau Ost“ vor allem in den DDR-Plattenbausiedlungen tausende Wohnungen abreißen. Auch die EWG kam nicht umhin, ihren Bestand im „Neubaugebiet“ Dresden-Gorbitz zu senken. Doch neben dem Abriss ging es der Genossenschaft darum, die Wohnqualität an diesem Standort aufzuwerten. Denn im Stadtteil Gorbitz bewirtschaftet die Genossenschaft knapp 6.000 der insgesamt rund 12.000 Wohnungen.
Dieses jüngste Wohngebiet Dresdens aus DDRZeiten wird nicht zu Unrecht als schönstes Plattenbaugebiet der Stadt bezeichnet. Die meisten Gebäude stehen in Hanglage. Die Bebauung ist relativ großzügig, viele Wohnungen bieten eine schöne Aussicht auf die Stadt.

Vom Stadtteil zu individuellen Quartieren

Das Konzept für Gorbitz sah vor, diesen großen Stadtteil in mehrere kleinere, durch die Bebauung vorgegebene Teilgebiete zu gliedern und diese Quartiere unterschiedlich zu gestalten. Um eine bessere Identifikation der Bewohner mit „ihrem“ Quartier zu erreichen, waren für die einzelnen, relativ abgeschlossenen Gebiete Eigennamen entwickelt worden.

Die Wohnungen und auch der Leerstand verteilten sich unterschiedlich in diesen Gebieten. Besonders betroffen war die sog. „Kräutersiedlung“. Hier befanden sich 828 Wohneinheiten, größtenteils 3-und 4-Zimmer-Wohnungen. Ende 2000 hatte der Leerstand in der Kräutersiedlung 40 % erreicht. Der Bestand war unsaniert und alle Objekte ohne Belastungen. Daher wurde das Quartier – als erstes Gebiet des geplanten Stadtumbaus – für eine drastische Reduzierung der Wohnungszahl durch Abriss und Etagenrückbau vorgesehen. Dieses als Pilotprojekt der Stadt Dresden deklarierte Vorhaben sollte die Chancen zur städtebaulichen Aufwertung und Verbesserung der Wohnangebote sowie des Wohnumfeldes zeigen, die durch Stadtumbaumaßnahmen möglich sind. Ziel der Umgestaltung war, unter Verwertung der vorhandenen Bausubstanz ein Wohnquartier zu schaffen, das in seinem Charakter und in seinen Nutzungsqualitäten den Wünschen aktueller und zukünftiger Mietergenerationen entspricht. Sieben Reihen 6-geschossiger Gebäude wurden in ein aufgelockertes Familienwohngebiet mit individuellen Wohnungen in 3- und 4-geschossigen Häusern umgestaltet und die Zahl der Wohnungen von 828 auf 131 verringert. Die Umbaumaßnahmen begannen im April 2002 und wurden nach zwei Bauabschnitten 2004 abgeschlossen. Die Verleihung des Bauherrenpreises „Modernisierung 2003“ für das Projekt „Kräutersiedlung, 1. Bauabschnitt“ durch den Bund Deutscher Architekten, den Deutschen Städtetag und den damaligen GdW Bundesverband deutscher Wohnungsunternehmen (heute GdW Bundesverband deutscher Wohnungsund Immobilienunternehmen e. V.) würdigte den innovativen Umgang mit dem Gestaltungspotenzial, das auch der Plattenbau bietet.

Der vorgesehene Umbau in den Bauabschnitten drei und vier jedoch war wirtschaftlich nicht rentabel und konnte nicht realisiert werden. Die Bestandsgebäude wurden daher im Jahr 2004 komplett abgerissen. Das damit entstandene Brachland von ca. 2,8 ha eröffnete der Genossenschaft Jahre später die Chance auf ein ambitioniertes Neubauprojekt inmitten eines Stadtteils, der durch seine DDR-Plattensiedlungen geprägt ist.

Inzwischen haben sich die Vorzeichen gedreht. Wohnungen sind knapp – auch in Dresden. Auf der seit 2005 ungenutzten Fläche des dritten und vierten Bauabschnittes der Kräutersiedlung entwickelte die Genossenschaft daher ein neues Konzept. Ziel war es, den Siedlungscharakter der bestehenden Kräutersiedlung aufzugreifen, neu zu interpretieren und eine städtebauliche Lösung zu präsentieren, die beides vereint: Wohnen im Grünen und ressourcenschonendes Bauen.

Das Ergebnis: Die „Kräuterterrassen“, deren Herzstück zehn sog. Gartenhäuser bilden, die paarweise einen kleinen Kräuterhofgarten umschließen. Mit diesem abgegrenzten, halboffenen Raum mit hoher Aufenthaltsqualität sind sie ideal für Familien geeignet. Hier gibt es hauptsächlich geräumige Familienwohnungen, aber auch einige kleinere, um das Wohnen im Generationenverbund zu ermöglichen.

Als Gegenstück dienen die Stadthäuser im Grünen, mit Dachterrassen und Mietergärten, deren Wohnungen barrierefrei erreichbar und seniorenfreundlich sind. Abschließbare Fahrrad- oder Rollatorengaragen ergänzen das Angebot. Hier entstehen vor allem 2- und 3-Raum-Wohnungen. Die Genossenschaft nimmt den Charakter der benachbarten Kräutersiedlung auf, jedoch wird die Fläche effektiver genutzt und nach modernen Gesichtspunkten bebaut.

Bedeutung von Städtebau und Außenraum

In dem verkehrsberuhigten Areal werden die Häuser am Gorbitzer Westhang terrassenförmig angelegt, bieten einen freien Blick auf die Stadt und ergänzen auf harmonische Weise die bestehende Kräutersiedlung. Der Name „Kräuterterrassen“ ist Programm, denn in jedem Hofgarten wird ein anderes Kraut Hauptbestandteil der Bepflanzung. So prägen Lavendel, Melisse, Salbei, Estragon und Rosmarin die Höfe und geben ihnen gleichzeitig ihre Namen. Fassadenelemente und Bepflanzung werden farblich aufeinander abgestimmt und machen die Höfe einzigartig und unterscheidbar. In breiten Parkbändern werden Spiel- und Bewegungsangebote für alle Altersgruppen ebenso verwirklicht wie Ruhe- und Kommunikationszonen im Grünen. Die Parkbänder verbinden Garten- und Stadthäuser und bilden den zentralen Aufenthaltsbereich des neuen Wohnquartiers. Bis 2020 werden insgesamt 184 Wohnungen im genossenschaftlichen Wohnungsbau entstehen und Wohnmöglichkeiten für Familien, Singles und Paare, Best Ager und Senioren bieten.

Die Bebauung ist in drei Bauabschnitten geplant, den Anfang machte das Baufeld entlang des Kamillenweges. Die ersten sechs Gartenhäuser mit insgesamt 66 Wohnungen werden zwischen Oktober 2018 und Anfang 2019 an ihre neuen Mieter übergeben. In einem zweiten Abschnitt entstehen dann bis Mitte 2019 drei Stadthäuser am Thymianweg mit 48 Wohnungen. Der dritte und letzte Bauabschnitt umfasst noch einmal vier Gartenhäuser und zwei Stadthäuser an der Schlehenstraße.

Wichtiger Schritt der Stadtteilentwicklung

Das Vorhaben markiert einen Meilenstein in der Geschichte der EWG und in der Entwicklung von Gorbitz: Nach acht Jahren aufwertenden Stadtumbaus mit (Teil-)Rückbau, Modernisierung und Umgestaltung sowie weiteren acht Jahren Modernisierung und Umbau ganzer Quartiere zu seniorengerechten Wohnanlagen findet nun erstmalig wieder umfangreicher Neubau in diesem Stadtteil statt. Obwohl die Baupreise die Kosten in die Höhe treiben, will die Genossenschaft Nettokaltmieten unter 10 €/m2 anbieten. Dennoch sollten Wünsche nach großzügigen Wohnungen, Tageslichtbädern oder seniorenfreundlicher Ausstattung erfüllt werden. Für die 184 neuen Wohnungen setzt die EWG auch auf Mieter, die Gorbitz bisher nicht als Wohnort in Betracht gezogen haben. Insgesamt investiert die EWG rund 30 Mio. € in das Projekt.

DAS NEUBAUPROJEKT „KRÄUTERTERRASSEN“

  • 184 barrierearme Wohnungen im genossenschaftlichen Wohnungsbau,
    davon 28 komplett barrierefrei
  • Bauzeit: 2017 – 2020
  • 10 Gartenhäuser mit 110 Wohnungen, barrierefrei erreichbar
  • 3 große Stadthäuser mit 66 Wohnungen, barrierefrei erreichbar
  • 2 kleine Stadthäuser mit 8 Etagenwohnungen
  • Schaffung halboffener Höfe
  • Erdgeschosswohnungen mit Mietergärten, alle anderen Wohnungen mit
    Balkon oder Dachterrasse
  • alle Wohnungen mit Tageslichtbädern und Fußbodenheizung
  • große Wohnungen mit zweitem Bad mit Dusche

Antje Neelmeijer

Ein Beitrag für das Fachmagazin “DW | DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT” Ausgabe 01|2019

13. Dezember 2018
Ein Beitrag der Kategorie: Bauvorhaben

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