Wunderbare Vielfalt
BUNTE, LEBENDIGE, HERAUSFORDERNDE, LOHNENDE
Zugegebenermaßen finde ich das Leitthema dieses Hausblicks wirklich herausfordernd. Während die Artikel zu unseren wahrlich vielfältigen Themen schnell bestimmt waren, stellten sich mir die Fragen:
Was verstehen wir eigentlich unter Vielfalt? Brauchen wir das? Und was haben wir davon?
Vielfalt? Jeder, den ich dazu befragt hatte, brachte neue Aspekte hinzu:
Angefangen von der Vielfalt, mit der sich jeder persönlich täglich auseinandersetzt, seien es die vielfältigen Aufgaben in unseren Berufen, eine vielfältige, gesunde Ernährung, zu vielfältige Konsumangebote… Andere denken an Grün und Ökologie, an Pflanzen und Tiere unserer Umwelt. Die sozialpolitisch Motivierten sprechen von der Vielfalt der Persönlichkeiten, mit den Dimensionen Alter, Behinderungen, ethnische Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Weltanschauung oder Religion. Mindestens die drei erstgenannten dieser Dimensionen berühren uns als Genossenschaft in unserer täglichen Arbeit, dann, wenn wir über die Vielfalt der Menschen in unserer Genossenschaft, in unseren Wohnungen, in unseren Quartieren sprechen. Nehmen wir noch die familiäre Situation und den daraus erwachsenden Lebensent wurf dazu, kommen wir von wirklich vielfältigen Menschen zu vielfältigen Wohnbedürfnissen und Wohnwünschen – und sind mittendrin im Thema Entwicklung unserer Wohnungsbestände.
Die Zeiten sind lange vorbei, dass beim Wohnen „warm, trocken, sicher“ ausreichend war und 6.000 gleichartige, einheitliche Wohnungen 6.000 Haushalte glücklich gemacht haben. Und dass sich die Wohnbedürfnisse gliedern ließen in die der Singles, der Paare und der Familien. Jetzt sprechen wir über junge Wohnanfänger, allein- oder WG-wohnend, über allein- oderals Paar lebende Senioren, über Patchworkfamilien, über Wohnen anderer Kulturen, über internationale Studenten, über Wohnen im Generationenverbund, Wohnen von Behinderten mit Betreuer und unglaublich vieles mehr. Das heißt für uns, unsere Wohnungen zu verändern und anzupassen, vielfältige Nutzer und unterschiedliche Nutzungen zu planen. Den Wohnungen folgen die Außenanlagen und Freizeitangebote, auch hier werden die Wünsche und Vorstellungen vielfältiger. Inzwischen bedenken wir eine die Vielfältigkeit der Flora und Fauna fördernde ökologische Bewirtschaftung unserer Quartiere, zukünftig die Anpassung der Pflanzenarten an das Klima.
Brauchen wir das? Ja, das brauchen wir.
In vielfältigen, urbanen und grünen, lebendigen und lebenswerten Quartieren ist „für jeden etwas dabei“, dies sichert uns auch in Zukunft viele Mitglieder und Mieter. Und die Vielfältigkeit der Quartiere wiederum sichert die Zukunftsfähigkeit unserer Genossenschaft.
Klar ist aber auch, dass diese neue Vielfalt auch schwierige Situationen mit sich bringen kann: vielfältige Wohn- und Lebensentwürfe können statt zu nachbarschaftlichem Miteinander zu Nachbarschaftskonflikten führen, Ungleichheit begünstigt Um- und Unordnung, Neues zwingt zum Verlassen von Gewohntem.
Wollen wir das? SO vielleicht nicht unbedingt, aber das eine ist nicht ohne das andere zu haben. Deshalb zurück zum Anfang: vielfältig bedeutet lebendig, lebenswert und lohnend, aber auch herausfordernd und anstrengend. Und so ist unsere tägliche Arbeit eine vielfältige Mischung zwischen Zulassen, Akzeptieren und Tolerieren auf der einen und Korrigieren, Mediation und Intervenieren auf der anderen Seite. Damit unsere Quartiere und unsere Genossenschaft auch in Zukunft vielfältig, bunt und lebenswert sind.
Antje Neelmeijer