Alles wird teurer
NEUE RISIKEN
„Hauptanliegen der Genossenschaft ist es, ihren Mitgliedern und Mietern bedarfsgerechte, bezahlbare und zeitgemäße Wohnungen sowie ein hohes Maß an Wohn- und Lebensqualität zu bieten.“ Dieser Satz steht seit Jahren an vorderster Position unserer strategischen Ziele. Doch immer mehr erleben wir, dass die Umsetzung dieses Ziels von Faktoren abhängt, die durch uns kaum (mehr) zu beeinflussen sind.
Die Debatte um bezahlbares Wohnen läuft seit Jahren. War diese in der Vergangenheit eng mit den Anforderungen an kostengünstiges Bauen verknüpft, wird sie mittlerweile ebenso durch die Entwicklung der Betriebskosten beeinflusst.
Kostengünstiges Bauen kollidiert mit den Zielen, die wir als Genossenschaft freiwillig verfolgen und mit denen, die wir als Mitglied unserer Gesellschaft verfolgen (müssen). Bauen wir umfangreich, heißt das
- wir verändern unseren Wohnungsbestand, reduzieren z. B. 1-Raum-Wohnungen im Plattenbau,
- wir bauen unseren Wohnungsbestand altersgerecht und barrierefrei um,
- wir modernisieren unsere Gebäude energetisch,
- wir verbessern das Wohnumfeld in unseren Quartieren.
Neu hinzukommen in der Zukunft Konzepte zum Klimaschutz und zur CO2-Neutralität unserer Wohngebäude, von denen wir im Moment noch nicht sagen können, welche Kosten sie verursachen werden. Schon mit diesem Leistungsumfang stoßen wir an die Grenzen der Refinanzierung der Investitionen. Wir können und wollen auch nicht die Mieten beliebig weiter erhöhen. Gerade im Stadtteil Gorbitz sehen wir unsere Genossenschaft weiterhin als verantwortungsvollen Anbieter von Wohnungen im einfachen bis mittleren Preissegment.
Nun kommen erhebliche Risiken und Mehraufwendungen durch fehlende Lieferungen von Baumaterialien, durch Ressourcenknappheit und drastisch steigende Materialpreise sowie durch massive Kapazitätsengpässe bei Baufirmen und Dienstleistern hinzu. Neben den unmittelbaren Kosten beeinflussen diese Themen auch die Planbarkeit der Maßnahmen und damit langfristig die Stabilität der Genossenschaft. Auch die permanente Steigerung der Betriebskosten, die mit der Energiepreisexplosion in bisher unbekannte und unvorstellbare Dimensionen vordringt, wirkt auf die Bezahlbarkeit des Wohnens. Zunächst treffen die Auswirkungen unmittelbar Sie, liebe Mitglieder und Mieter, langfristig jedoch begrenzt die Erhöhung der Betriebskosten auch die Kaltmieten und damit wieder die Finanzierbarkeit strategischer Ziele der Genossenschaft.
Angesichts der gesellschaftlichen Klimaziele und der Notwendigkeit des weiteren Bestandumbaus im Plattenbau waren und sind Fördermittel zwingender Bestandteil unserer Finanzierungen, um die ökonomische Machbarkeit zu sichern. Derzeit ist aber nicht abschätzbar, mit welcher Förderung für künftige Projekte gerechnet werden kann. Sicher ist eine weitere Verschärfung der Standards, was die Bezahlbarkeit des Wohnens weiter gefährdet.
Als Ergebnis werden wir alle unsere Ansprüche herunterschrauben müssen an
- Ausstattung und Wiederherstellung unserer Wohnungen,
- Standards bei Modernisierungen,
- Temperaturen in den Wohnungen,
- Pflege- und Reinigungsarbeiten und ein „geschniegeltes“ Umfeld
und wir werden uns fragen müssen, was jeder Einzelne beitragen kann zur Begrenzung der Kosten, der Aufwendungen, der Risiken. Bis dahin denken Sie an den Dichter Hölderlin (und spazieren eine Runde durch Cotta) und seine Worte: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“
Antje Neelmeijer