Platte im Wandel
Das triste Einheitsgrau der DDR ist Schnee von gestern
Die Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft Dresden, kurz EWG, treibt seit fast zwei Jahrzehnten nachhaltigen Strukturwandel in der Plattenbausiedlung Gorbitz an. Als Ziel definierte die EWG vordergründig, städtebauliche Antworten auf die vielfältigen Bedürfnisse der Bewohner der Siedlung zu finden.
Die Plattenbausiedlungen haben ihr altes Image lange hinter sich gelassen. Während sie in Metropolen wie Berlin eine Renaissance erleben, entwickeln sich auch konservativere Kommunen beständig weiter. Beispielhaft hierfür steht die Plattenbausiedlung Gorbitz, in der außergewöhnliche Projekte dazu beitragen, das Image des Quartiers beständig und nachhaltig aufzuwerten.
Innovative Modernisierungskonzepte
2002 wurde die „Kräutersiedlung“ in Gorbitz die erste Dresdner Maßnahme zur städtebaulichen Aufwertung eines großen Plattenbaugebiets im Rahmen des Städtebauförderungsprogramm Stadtumbau Ost. Ziel war es, unter Verwertung der vorhandenen Bausubstanz Wohnungen mit zeitgemäßen Grundrissen und höherem Wohnkomfort anzubieten. Die hierzu erforderlichen Maßnahmen waren vielgestaltig, verfolgten allerdings in Summe den Zweck, die Lebensqualität der Bewohner nachhaltig zu verbessern. Seit 2007 laufen Modernisierungs- und Umbaukonzepte in der Gorbitzer Mitte, genauer, der „Höhenpromenade“, die als Verbindungsachse zwischen den zwei großen Plätzen in Gorbitz fungiert. Letztere soll bis 2020 fertiggestellt werden, teilt die EWG mit. Dann sei das Quartier wieder sowohl urban als auch belebt und dementsprechend ein attraktiver Wohnort sowie Erlebnisraum für die in Gorbitz sesshaften Bevölkerungsgruppen ab 50, die sich in ständigem Zuwachs befinden.
2017 startete die EWG mit den „Kräuterterrassen“ ein weiteres Projekt. Auf der durch den Teilabriss der „Kräutersiedlung“ entstandenen und seit inzwischen mehr als 12 Jahren ungenutzten Fläche entwickelte die Genossenschaft ein anspruchsvolles Projekt. Das Ziel ist es, den grünen Charakter der Siedlung aufzugreifen und ressourcenschonend sowie modern zu bauen. Bis 2020 entstehen hier insgesamt 184 neue Wohnungen im genossenschaftlichen Wohnungsbau. Der Name der „Kräuterterrassen“ leitet sich von einer innovativen Idee ab: Die Terrassen werden mit verschiedenen Kräutern bepflanzt und erhalten ihren Namen gemäß des angepflanzten Krautes, z.B. Lavendel, Melisse, Salbei, Minze und Rosmarin. Die Hofgärten sorgen für die Individualität der jeweiligen Terrassen.
Bei der Realisierung der vielen Umbaumaßnahme legt die EWG großen Wert auf die differenzierte Bestandsentwicklung. In diesem Zuge wird gewährleistet, dass sehr viele, teils divergente, Wohnbedürfnisse bedient werden. Die Frage des Denkmalschutzes ist angesichts der verschiedenen Interessengruppen umstritten. Während das Landesamt für Denkmalpflege und die Dresdner Stadtverwaltung bereits einen Plattenbau unter Denkmalschutz stellten, spricht sich die EWG klar gegen das Erhalten der Plattenbauten als Denkmäler aus. Natürlich sollten die Bauten erhalten bleiben, doch mit der aktuellen Fassade seien sie völlig ungeeignet, um einen Beitrag zu den europäischen Klimazielen zu leisten. Unsanierter Plattenbau würde die Lebensqualität der Bewohner maßgeblich mindern. In diesem Kontext ist die EWG mit dem noch unsanierten Gebäuden an der Höhenpromenade am Bundesforschungsprojekt „Hitzeresiliente Städte- und Quartiersentwicklung“ als Praxispartner beteiligt. Nichtsdestotrotz sei die Vereinbarkeit zwischen historischer Verantwortung und modernem Wohnen auch im Interesse der EWG.
Für die Zukunft richtet sich die Entwicklung der Plattenbausiedlung weiterhin nach dem Motto „Gorbitz ist bunt“, das bereits 2008 in einem Workshop mit Bürgerbeteiligung erarbeitet wurde. Bis 2030 sollen differenzierte und lebendige Quartiere entstehen, die durch Individualität Bewohner gewinnen und langfristig an sich binden. Im Sinne des oben genannten Mottos setzt man vor allem auf das Zusammenleben von Menschen verschiedener Generationen, Nationalitäten und kultureller Identitäten. So steht die Plattenbausiedlung Gorbitz nicht nur städtebaulich sondern auch ideell mit beiden Beinen im 21. Jahrhundert.
Ein Beitrag der EWG für das Fachmagazin “polis Magazin für Urban Development”
Ausgabe September 2018