Einfach weitermachen? JEIN!
VERANTWORTUNG
Wohnen und Bauen am Scheideweg.
Vielleicht zur Beruhigung vorab: Auch wenn das bezahlbare Wohnen vor einer nie da gewesenen Krise steht, heißt das (noch lange) nicht, dass die Genossenschaft vor einer Krise steht. Unser jahrelanges solides, vorausschauendes Wirken hat unsere Genossenschaft in eine wirtschaftlich sehr sichere Position gebracht, aus der wir auch schlechte Jahre überstehen können.
Das ist zwar auch für uns eine gewisse Beruhigung, aber trotzdem eine sehr unbefriedigende Aussicht. Denn wir sind mit dem Anspruch angetreten, unsere Genossenschaft – also sowohl den Mitgliederbestand als auch die Wohnungen, Gebäude, Quartiere – wirklich nachhaltig weiter zu entwickeln. Dafür haben wir belastbare Strategien erarbeitet, diese in kurz-, mittel- und langfristige Planungen gepackt und EINFACH umgesetzt. Natürlich war es nicht immer einfach 🙂 , aber mit einer Top-Mannschaft an Bord und Ihrem Mitwirken konnten wir Jahr für Jahr die Ziele erreichen.
Aber jetzt – durch die anhaltenden Preisanstiege im Baugewerbe, die drastischen Zinssteigerungen und die kostentreibenden politischen Vorgaben einerseits, die bezahlbaren Mieten und das unbefriedigende Fördervakuum andererseits – werden uns jede Menge Handlungsoptionen genommen. Oder – wie es unser Verbandspräsident treffend formuliert hat: “Sie würgen die Investitionsfähigkeit der sozial orientierten Wohnungsunternehmen ab. Unter den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen können diese nicht mehr in bezahlbaren Wohnungsbau [und Modernisierung] investieren.”
Weiter machen müssen wir trotzdem.
Da ist unser Tagesgeschäft, Sinn und Zweck der Genossenschaft: unaufschiebbare Reparaturen, kleinere und größere Instandsetzungen, Renovieren von Wohnungen für die Wiedervermietung, Kündigungen und neue Nutzungsverträge, Wohnungsabnahmen und -übergaben, Betriebskostenabrechnungen…
Dann müssen wir die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben erfüllen: umfangreiche Verkehrssicherungspflichten, Legionellenprüfungen, Einbau von zig 1.000 Rauchwarnmeldern…
Und wir wollen natürlich das genossenschaftliche Leben nicht zu kurz kommen lassen: Service bei Wohnungsanpassungen, Hilfe im Alter, Vermittlung sozialer Unterstützung, gemeinsame Begegnungen, unsere Mitgliederzeitschrift…
All dies können, wollen und werden wir weiter (eingeschränkt) leisten. Aber unsere langfristigen Entwicklungsstrategien, die sind unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen mit vielen Fragezeichen versehen.
Einfach weitermachen? Zumindest nicht wie gehabt und gleich gar nicht EINFACH. Wir müssen unsere Ziele, Strategien und Prozesse hinterfragen und anpassen. Im Kleinen beginnt das bei unseren Wohnungssanierungen: Hier fällt jetzt viel öfter die Entscheidung: Ist zwar nicht mehr schön, aber funktionsfähig – bleibt so. Oder beim Betriebskostenmanagement: Unkrautbekämpfung? Doch nicht das ökologisch wertvolle Grün beseitigen 😉
Wesentlich schwieriger wird es aber bei unseren Modernisierungsplanungen. Diese Entscheidungen müssen mit relativ großem Vorlauf getroffen werden, wirken dann über Jahrzehnte und sind nicht umkehrbar. Mit den Auswirkungen aus der „Gerade-so-Überleben“-Zeit der Genossenschaft, in der „Nur das Allernötigste“-Entscheidungen getroffen werden mussten, kämpfen wir derzeit in den Strangsanierungen.
Fazit: Wir müssten ANDERS weiter machen. Aber wie?
Unsere Entwicklungsziele begraben und nur das Nötigste machen? Das ist nicht nachhaltig und das wollen wir (noch) nicht. Unsere Strategien wie geplant umsetzen und eine wirtschaftliche Schwächung der Genossenschaft in Kauf nehmen? Das ist erst recht nicht nachhaltig und das wollen wir natürlich auch nicht.
Unter den gegenwärtigen Bedingungen bleibt das ein Dilemma, das eigentlich nur mit veränderten Rahmenbedingungen gelöst werden kann. Die Forderungen sind formuliert, allein, sie scheinen nicht durchzudringen. Damit machen wir erst mal weiter – im schlechtesten Fall bis zur Notbremsung.
Antje Neelmeijer